Zu stolz für die Stütze

Zu stolz für die Stütze

Warum Menschen auf Hartz 4 verzichten
Sendung NDR 21.15 21.04.2017
Regie/Produktion Silvia Kaiser

Kamille ist 13 und lebt mit seiner Mutter in Kiel. Zusammen bewohnen die beiden ein Zimmer. Ihr Schlafzimmer haben sie an einen Studenten untervermietet. Das bringt ihnen 300 Euro monatlich ein. Geld, das die beiden dringend zum Leben brauchen. Denn Angelika hat ohne die Mieteinnahmen nur 113 Euro zum Leben. Sehr fühlte sie sich gedemütigt von Mitarbeitern beim Arbeitsamt. Seit kurzem verzichtet sie daher auf Hartz-4-Leistungen vom Arbeitsamt. Die Konsequenzen muss auch Sohn Kamille tragen. Er lebt jetzt mit seiner Mutter auf nur noch 18 Quadratmetern. Einen Rückzugsraum gibt es nicht. Kann das gut gehen?

Auch der 38-jährige Florian aus Stocksee fühlte sich vom Arbeitsamt schikaniert. So sehr, dass er in der Psychiatrie landete. Danach entschied er: Nie wieder Hartz 4 und kämpft sich lieber als Tagelöhner durch. Doch das ist hart. Vor allem im Winter gibt es kaum handwerkliche Jobs. Etwas anderes kommt für ihn nicht in Frage, denn er hat schlechte Zähne und keinen Anspruch auf eine Zahnarztbehandlung. Zuerst müsste er die Schulden bei seiner Krankenkasse abzahlen. Doch wie? Gibt es für ihn einen Ausweg aus der Schuldenfalle?

Was kaum jemand weiß: Mehr als jeder dritte Anspruchsberechtigte verzichtet auf Leistungen vom Arbeitsamt. Nach Berechnungen für das Arbeitsministerium beantragen bis zu 4,9 Millionen Menschen kein Hartz 4, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Das spart dem Staat nach eigenen Angaben pro Jahr mindestens 20 Milliarden Euro.